Über uns der Himmel: Roman (German Edition) by Kristin Harmel

Autor:Kristin Harmel [Harmel, Kristin]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Blanvalet Taschenbuch Verlag
veröffentlicht: 2015-03-18T00:00:00+00:00

19

Während wir die 35th Street entlanggehen und an der 31st Avenue links abbiegen, erzählt mir Andrew Allies Geschichte. Sie geht in die achte Klasse und ist in den letzten zwei Jahren immer wieder für eine Weile in Pflege gewesen. Einen Dad gibt es nicht, und ihre Mom wurde ein paarmal wegen geringfügiger Drogendelikte festgenommen. Die Mutter wurde kürzlich aus einem Drogenentzugsprogramm entlassen und besucht Allie zweimal wöchentlich entsprechend den Richtlinien der Kinderschutzbehörde für eine Wiederzusammenführung.

»Das heißt, Allie wird bald zu ihrer Mom zurückkehren?«, frage ich.

»Das ist der eigentliche Plan, wenn alles gut läuft, auch wenn es noch eine Weile dauern könnte.« Andrew seufzt und steckt die Hände in die Hosentaschen. »Ich glaube, in vielen Fällen ist es tatsächlich besser für das Kind, wenn es zu seinen Eltern zurückkehrt, weißt du? Wenn die Eltern anständig sind, ist das Gefühl von Stabilität im Allgemeinen hilfreich für das Kind. Aber ich kenne Allies Mom noch nicht, und ich kann die Situation nicht gut einschätzen. Ich mache mir Sorgen um Allie.«

»Du machst dir um sie alle Sorgen«, sage ich leise.

Er legt den Kopf schräg und sieht mich an. »Das ist vermutlich nicht allzu gut für mich, denn meine Möglichkeiten, etwas zu erreichen, sind begrenzt. Aber du hast recht, ich mache mir Sorgen. Große Sorgen. Und Allie ist im Moment eines der Kinder, um die ich mir am meisten Sorgen mache.«

»Du hast gesagt, dass sie in letzter Zeit schwierig ist? Verhaltensprobleme?«

Andrew nickt.

»Meinst du, sie befürchtet, dass sie wieder zu ihrer Mom zurückkommen könnte?«

»Vielleicht«, sagt Andrew. »Aber das ist schwer zu ergründen. Hat sie Angst, weil es daheim irgendein Problem gibt, von dem wir wissen müssen? Oder hat sie Angst, dass ihre Mom das Sorgerecht für sie wieder verlieren könnte? Will sie zu ihr zurück oder nicht? Es ist manchmal schwer, diese Kinder dazu zu bringen, sich zu öffnen. Jedenfalls ist es mit Allies Schulnoten in letzter Zeit immer mehr bergab gegangen, außerdem ist sie in den letzten zwei Monaten in drei Schlägereien geraten, und sie weigert sich, mit irgendjemandem von uns über irgendetwas davon zu reden. Ich hoffe, dass sie auf dich anders reagieren wird.«

»Warum?«

Andrew lächelt. »Weil du diejenige bist, die ihre Sprache spricht.«

Ein paar Minuten später erreichen wir ein bescheiden aussehendes Wohnhaus an der 42nd Street. Allies Pflegefamilie wohnt im zweiten Stock ohne Aufzug, und während wir die Treppe hochsteigen, klopft Andrew mir aufmunternd auf den Rücken und sagt: »Viel Glück.« Die Worte schweben unheilvoll über mir, als Andrew eine Faust hebt und an die Tür zu Wohnung 304 klopft.

Ein Mann mit roten Haaren, einem dicken Schnurrbart und Kinnbart öffnet die Tür und lächelt breit, als er Andrew sieht. »Mann, Sie sind ja auf die Minute pünktlich«, sagt er. »Kommen Sie herein.«

Andrew stellt ihn mir als Rodney Greghor vor, Allies vorübergehenden Pflegevater. Wir geben uns die Hand, und Rodney erklärt mir, dass er und seine Frau Salma viele Kinder von St. Anne’s aufnehmen, die vermutlich wieder mit ihren leiblichen Eltern zusammengeführt werden.

»Unser Ziel ist es im Allgemeinen, die Kinder in Pflegefamilien unterzubringen, in denen sie dauerhaft bleiben können«, erklärt Andrew.

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